Kreative Interviewfragen: So lernen Sie Ihre Bewerber wirklich kennen!
Frage 3: Viele Menschen haben ja einen „Tick“, eine merkwürdige Angewohnheit. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Dies ist eine zugespitzte Version der klassischen Frage nach den eigenen Schwächen. Eine echte Herausforderung für Bewerber: Verständlicherweise wollen sie sich in bestem Licht präsentieren und keine Makel offenbaren. Wenn sie jedoch nichts oder nur Banales antworten, können Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit und Offenheit aufkommen. Denn niemand ist perfekt.
Erwartungshorizont
Diese Frage kann den weiteren Verlauf des Auswahlgesprächs entscheidend beeinflussen. Deshalb sollten Sie sie nur stellen, wenn das Job-Interview bereits eine Weile läuft, die Grundstimmung gut ist und Sie schon einen ersten positiven Eindruck vom Bewerber gewonnen haben.
Je nach Antwort des Kandidaten erhalten Sie einen interessanten Einblick in seine Eigenarten, die sein Profil akzentuieren. Doch aufschlussreicher ist, wie humorvoll, schlagfertig oder selbstbewusst er die Frage pariert. Ebenso können Sie Rückschlüsse auf den Grad seines (Non-)Konformismus ziehen.
Fällt dem Bewerber partout kein nennenswerter „Tick“ ein, dann geben Sie ihm ein paar Beispiele: etwa „unbedingt mit dem rechten Bein zuerst aufstehen“ oder „immer zurückgehen und nachschauen, ob das Bügeleisen wirklich aus ist“. So kommen Sie locker ins Gespräch und nehmen ihm die Hemmungen.
In seltenen Fällen kann es passieren, dass ein Kandidat mit der Offenheit übertreibt und intime Details erwähnt (etwa „ein SM-Studio im Keller“), was im Job-Interview tatsächlich schon so geschehen ist. Richten Sie Ihren Fokus dann nicht auf die Aussage an sich, sondern darauf, wie Ihr Gesprächspartner die heikle Situation meistert. Helfen Sie ihm ggf. dabei, indem Sie auf ein unverfängliches Thema überleiten.
Praxistipp
Es lohnt sich, in Auswahlgesprächen von bewährten, aber angestaubten Routinen abzuweichen und individuelle Akzente zu setzen. Das funktioniert besonders gut mithilfe kreativer Fragen abseits des üblichen Weges (im Englischen auch „Offbeat Questions“ genannt), auf die sich die Kandidaten nicht oder nur eingeschränkt vorbereiten können.
Setzen Sie kreative Fragen im Auswahlgespräch gezielt ein: zum Beispiel, um die Eröffnungsroutine aufzulockern, wenn Sie nicht an den Kandidaten herankommen. Oder um neue Fahrt aufzunehmen, wenn der Dialog ins Stocken gerät. Oder um Themen anzusteuern, die der Bewerber von sich aus nicht anspricht.
Stellen Sie unkonventionelle Fragen auf keinen Fall, um Bewerber unter Druck zu setzen. Das wäre völlig kontraproduktiv. Allerdings dürfen sie durchaus mal knifflig oder provokant ausfallen. Deshalb ist es bei dieser Fragetechnik besonders wichtig, den Bewerbern fair und auf Augenhöhe zu begegnen. Empfehlenswert ist hier eine kurze Anmoderation – etwa mit folgendem Tenor: „Die nächste Frage klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, aber ich würde gerne von Ihnen wissen ...“
Beitrag von: Jochen Gabrisch, Autor der Fachbücher "Die Besten entdecken" und "Die Besten im Gespräch"/Bild: ©Alexander Pokusay-Fotolia.com