Kreative Interviewfragen: So lernen Sie Ihre Bewerber wirklich kennen!
Frage 9: Was wäre aus Ihrem Leben – neben Familie, Freunden und Beruf – nicht wegzudenken?
Diese zugespitzte Frage ist hilfreich, wenn Sie Kandidaten in Zweit- oder Folgegesprächen, auf der persönlichen Ebene noch etwas besser kennenlernen wollen. Sie nutzt Ranking als Fragetechnik und bietet damit eine Alternative zu den klassischen Erkundigungen nach Freizeitaktivitäten, Werten oder sozialem Engagement der Bewerber.
Sie sollten diese Frage nur stellen, wenn die Gesprächsatmosphäre gut ist und Sie den Kandidaten ernsthaft als potenziellen Mitarbeiter in Erwägung ziehen.
Erwartungshorizont
Der Kandidat ist aufgefordert, nach Familie, Freunden und Beruf, seine wichtigste Beschäftigung oder sein größtes Interesse zu nennen (etwa Sport, Kunst, Politik, Ehrenamt, Blog, aktuelles Projekt etc.). Mit der Frage nehmen Sie also seinen persönlichen Bereich in den Fokus, ohne aber – und darauf sollten Sie stets achten – seine Privatsphäre zu verletzen.
Auf der faktischen Ebene können Sie durch gezieltes Nachfragen Informationen darüber gewinnen, in welcher Form und wie intensiv sich der Bewerber mit den Themen seiner Wahl beschäftigt. Das wiederum erlaubt Ihnen Rückschlüsse auf sein berufliches Engagement:
- Was ist ihm wichtig?
- Warum wird er aktiv?
- Was motiviert ihn?
- Woran hat er Freude?
- Wann empfindet er Begeisterung?
- Wofür setzt er sich ein?
- Wo sieht er sich in der Verantwortung?
- Wie bringt er seine Fähigkeiten ein?
Noch spannender ist sein Antwortverhalten an sich. Achten Sie darauf, wie der Kandidat sich zwischen den beiden Polen möglicher Reaktionen bewegt:
- Wirkt er eher unbeteiligt und gibt eine banale Antwort, um die Frage schnell erledigt zu haben?
- Oder kommt Begeisterung auf? Nennt er ein Thema, das ihm wirklich am Herzen liegt und das er mit Ihnen gerne weiter diskutieren würde?
Nutzen Sie Ihre Beobachtungen für Rückschlüsse auf die Offenheit des Bewerbers: Welcher Grad der Vertrautheit erscheint ihm an diesem Punkt des Auswahlverfahrens angemessen? So erhalten Sie auch Hinweise auf die vom Kandidaten empfundene Qualität der Beziehung zu Ihnen als Interviewer.
Praxistipp
Es lohnt sich, in Auswahlgesprächen von bewährten, aber angestaubten Routinen abzuweichen und individuelle Akzente zu setzen. Das funktioniert besonders gut mithilfe kreativer Fragen abseits des üblichen Weges (im Englischen auch „Offbeat Questions“ genannt), auf die sich die Kandidaten nicht oder nur eingeschränkt vorbereiten können.
Setzen Sie kreative Fragen im Auswahlgespräch gezielt ein: zum Beispiel, um die Eröffnungsroutine aufzulockern, wenn Sie nicht an den Kandidaten herankommen. Oder um neue Fahrt aufzunehmen, wenn der Dialog ins Stocken gerät. Oder um Themen anzusteuern, die der Bewerber von sich aus nicht anspricht.
Stellen Sie unkonventionelle Fragen auf keinen Fall, um Bewerber unter Druck zu setzen. Das wäre völlig kontraproduktiv. Allerdings dürfen sie durchaus mal knifflig oder provokant ausfallen. Deshalb ist es bei dieser Fragetechnik besonders wichtig, den Bewerbern fair und auf Augenhöhe zu begegnen. Empfehlenswert ist hier eine kurze Anmoderation – etwa mit folgendem Tenor: „Die nächste Frage klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, aber ich würde gerne von Ihnen wissen ...“
Beitrag von: Jochen Gabrisch, Autor der Fachbücher "Die Besten entdecken" und "Die Besten im Gespräch"/Bild: ©Alexander Pokusay-Fotolia.com