Die Corona-Krise hat sich deutlich auf den Ausbildungsmarkt in Deutschland ausgewirkt. Im zweiten Corona-Jahr 2021 wurden zwar etwas mehr neue Ausbildungsverträge abgeschlossen als 2020, aber von einer nachhaltigen Entspannung kann keine Rede sein. Das zeigt der Datenreport 2022 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), der den Berufsbildungsbericht der Bundesregierung ergänzt, der am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) publiziert wurde.
Ausbildungsangebot und Ausbildungsnachfrage gesunken
Nach den Ergebnissen der BIBB-Erhebung wurden hierzulande bis zum 30. September 2021 473.100 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen, das waren 5.600 Verträge oder 1,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Gegenüber 2019 fiel die Zahl allerdings immer noch um 52.000 oder rund 10 Prozent niedriger aus.
Das Ausbildungsangebot lag im vergangenen Jahr bei 536.200 Plätzen. Das waren zwar 8.800 (1,7 Prozent) mehr als 2020, aber 41.900 (7,3 Prozent) weniger als im letzten Vorkrisenjahr. Auch die Zahl der jungen Menschen, die eine duale Berufsausbildung nachfragten, war rückläufig. Sie sank gegenüber 2020 um 4.800 (0,9 Prozent) auf 540.900. Im Vergleich zu 2019 betrug der Rückgang 57.900 oder knapp 10 Prozent. Damit verzeichnete die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen einen neuen Negativrekord seit 1992, als erstmals Daten für das wiedervereinigte Deutschland erhoben wurden. „Die berufliche Bildung steht auch in diesem nun schon dritten Corona-Jahr vor enormen Herausforderungen“, sagte BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser anlässlich der Veröffentlichungen.
„Gefahr eine Abwärtsspirale bei Neuverträgen noch nicht gebannt“
Der Hauptausschuss des BIBB würdigte in einer Stellungnahme zum Berufsbildungsbericht 2022, dass Aus- und Weiterbildung sowie die Umsetzung der Prüfungen auch im vergangenen Jahr trotz der Widrigkeiten durch die Coronapandemie überwiegend gelungen seien. Die Gefahr einer Abwärtsspirale bei den Neuverträgen sei jedoch nicht gebannt. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Ausbildungsmarkt wie schon nach der Finanzkrise nicht mehr gänzlich erhole – mit schwerwiegenden negativen Konsequenzen für die Lebenschancen vieler junger Menschen und für die Sicherung des Fachkräftebedarfs in den Unternehmen. Damit sich das Ausbildungsgeschehen langfristig erholen könne, sollten wieder mehr Betriebe für die Ausbildung und mehr Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungsplätze gewonnen werden.
Die Gruppe der Beauftragten der Arbeitgeber wies in einer ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass immerhin gut drei Viertel (78 Prozent) der ausbildungsberechtigten Unternehmen kontinuierlich oder mit Unterbrechung ausbilden. Rund die Hälfte der angebotenen Azubistellen standen jungen Menschen mit Hauptschulabschluss offen, die nur noch 17 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber ausmachen, offen.
Infolge von Lockdowns und anderen Maßnahmen habe die berufliche Orientierung im letzten Jahr erneut darunter gelitten, dass ein persönliches Kennenlernen von potenziellen Azubis und Betrieben kaum möglich war. Die Wirtschaftsvertreter befürchten außerdem, dass sich Lerndefizite aufgrund der zeitweisen Schulschließungen in den kommenden Jahren auf den Ausbildungserfolg auswirken könnten.
Immer mehr junge Menschen ohne Berufsabschluss
Auch die Beauftragten der Arbeitnehmer gaben eine Stellungnahme zum Datenreport ab. Sie ziehen eine andere Zahl hinzu, nämlich den Anteil der Unternehmen insgesamt, der eine Ausbildung anbietet. Hier wurde wieder einmal ein neuer Tiefstand erreicht: Waren es 2012 noch 21,2 Prozent, sank die Quote bis 2020 auf 19,4 Prozent. Zudem biete, heißt es in der Stellungnahme, die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt keinen Grund zum Aufatmen, zumal die Fokussierung auf die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze die tatsächlichen Herausforderungen verschleiere. Den 63.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen stünden immer noch 68.000 meist junge Menschen gegenüber, die einen Ausbildungsplatz suchen. Dazu kämen 20.000 ehemalige Bewerberinnen und Bewerber, bei denen kein Vermittlungsauftrag mehr besteht, die aber arbeitssuchend gemeldet sind.
Die Zahl der jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss steige seit Jahren und betrage nun 2,32 Millionen. Die Beauftragten der Arbeitnehmer appellieren angesichts dieser Entwicklung an die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Versprechen zur Stärkung der beruflichen Bildung schnell anzugehen. Dazu gehöre vor allem die Umsetzung der Ausbildungsgarantie
Handwerkliche und gewerblich-technische Berufe mehr würdigen
Darüber hinaus mahnt der BIBB-Datenreport, über die Berufe mit Dienstleistungs- und Wissenschaftsausprägung hinaus auch die Bedeutung handwerklicher und gewerblich-technischer Berufe für das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen und die bildungspolitische Systemsteuerung danach auszurichten. Ziel müsse es sein, beide Gruppen durch alle Bildungsprozesse gleichwertig zu fördern und das Ansehen dieser Berufe wieder zu steigern.
Quelle: Personalwirtschaft.de