Lukas Köhler, Fraktionsvize der FDP im Deutschen Bundestag, hat sich für eine Abschaffung des Acht-Stunden-Arbeitstages ausgesprochen. Konkret plädiert er dafür, die Tageshöchstarbeitszeiten abzuschaffen und nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festzuschreiben, sagte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Der Acht-Stunden-Tag ist ein fossiles Dogma aus einer Zeit, in der die Sorge vor Ausbeutung massiv war. Aber die Zeiten haben sich geändert“, glaubt Köhler. „Das Arbeitszeitgesetz kommt aus einer Welt, in der es kein Homeoffice gab. Kaum jemand hält dieses Acht-Stunden-Dogma in seinem Arbeitstag noch durch.“
Stichwort Arbeitszeitgesetz: Eben hier sieht der Liberale durchaus noch Luft nach oben. In vielen Jobs gehe die Regelung an der Lebensrealität der Menschen vorbei. „Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, Experimentierräume zu schaffen. Das sollten wir tun. Das würde die Wirtschaftswende beschleunigen.“
In der Mittagspause durcharbeiten?
Mit Blick auf die Ruhezeiten meint Köhler: „Pausen- und Ruhezeiten sind wichtig. Aber viele Menschen arbeiten schon jetzt die Mittagspause durch, um früher nach Hause gehen zu können. Und andere setzen sich am späteren Abend noch mal vor den Computer, und gehen dafür nachmittags mit ihren Kindern auf den Spielplatz. Die haben dann natürlich keine elf Stunden mehr bis sie am nächsten Tag wieder im Büro sitzen.“ Glaubt man dem FDP-Fraktionsvize, brechen viele Menschen also bereits jetzt faktisch das Arbeitszeitgesetz. Diese Flexibilität solle nicht mehr illegal sein, findet der Politiker.
So richtig neu ist das, was Köhler jetzt aufs Tapet bringt, übrigens nicht. Bereits 2018 forderten die Liberalen ein flexibleres Arbeitszeitgesetz und wollten die Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden anheben. Auch die Ruhezeiten sollten verkürzt werden. „Durch die Digitalisierung wird sich die Arbeitswelt massiv verändern“, begründete der damalige sozialpolitische Sprecher der FDP, Pascal Kober, die Gesetzesinitiative. Die verpflichtende Ruhezeit von elf Stunden wollten die Liberalen auf neun verkürzen, sofern sie später ausgeglichen würden.
Scharfe Kritik von den Gewerkschaften
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kann erwartungsgemäß wenig mit den Forderungen der FDP anfangen. Mehr noch: Was die Liberalen „ohne einen Funken Anstand gegenüber Beschäftigten“ als „fossiles Dogma“ bezeichnen würden, sei tatsächlich die erste Forderung der internationalen Arbeiterbewegung gewesen, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel gegenüber der Südwest Presse. „Schon damals war klar: Nur wer seine Kraft nicht den ganzen Tag in der Fabrik lässt, kann sich auch an demokratischen Prozessen beteiligen“.
Info
Eingeführt wurde der Acht-Stunden-Tag in Deutschland bereits 1918, zunächst für Arbeiter und 1919 auch für Angestellte. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückte auch die Gesamtzahl der Wochenstunden in den Fokus. Bereits am 1. Mai 1952 forderten die Gewerkschaften die 40-Stunden-Woche. Als ersten Schritt in diese Richtung vereinbarte die IG Metall 1956 mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall im „Bremer Abkommen“ die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 48 auf 45 Stunden. Allerdings dauerte es noch bis zum 1. Januar 1967, bis die Wochenarbeitszeit in der Metallindustrie auf 40 Stunden reduziert wurde.1973 war die 40-Stunden-Woche für 69 Prozent aller Arbeitnehmenden in der Bundesrepublik Realität, 1978 für 92,6 Prozent. Inzwischen hat sich die wöchentliche Arbeitszeit für viele weiter reduziert: Die 35-Stunden-Woche, die erstmals in den 1970-er Jahren von den Gewerkschaften gefordert wurde, hat sich heute in vielen Bereichen durchgesetzt, etwa in der Metallindustrie. Aber auch die GDL hat dies nach einem harten Arbeitskampf für ihre Mitglieder durchgesetzt.
Grundsätzlich gilt derzeit noch laut Arbeitszeitgesetz von 1994: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten“. Bis zu maximal zehn Stunden täglich sind möglich, wenn dies zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen wird. Die durchschnittliche Arbeitszeit muss demnach innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten trotzdem insgesamt acht Stunden pro Tag gerechnet betragen. Ausnahmen für die Höchstgrenze bei der täglichen Arbeitszeit gibt es bei Bereitschaftsdiensten oder in außergewöhnlichen Notfällen.
Angriffe auf das Arbeitszeitgesetz, so Piel, seien „ein beliebtes Ablenkmanöver, wenn es an ganz anderer Stelle hakt – etwa bei verlässlicher Kinderbetreuung, bei der Ausbildung junger Menschen oder dem Zuzug wichtiger Fachkräfte aus dem Ausland. Sollen doch einfach die, die ohnehin schon viel arbeiten, noch mehr tun“.
Auch der Koalitionspartner sieht den Vorschlag kritisch
Auch die SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt sieht in Köhlers Vorschlag eine Gefahr für „den Schutz der Arbeitnehmer“. Sie glaubt, dass längere und flexiblere Arbeitszeiten „vor dem Hintergrund der immer noch unzureichenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder eine zusätzliche Hürde, insbesondere für Frauen“ schaffen würden, so die SPD-Abgeordnete gegenüber der Bild-Zeitung.
Das verschärfe den Fachkräftemangel, statt ihn zu lösen. „Flexibilität darf nicht zulasten der Gesundheit gehen. Stattdessen sollten wir moderne Arbeitszeitmodelle fördern, die den Bedürfnissen der Wirtschaft und der Beschäftigten gerecht werden.“ Eine Möglichkeit, solche Modelle zu fördern, sieht die SPD übrigens in der Einführung der Vier-Tage-Woche.
Für Lukas Köhler wäre eine solche Vier-Tage-Woche nicht komplett abwegig, indes: „Das wäre bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit sicherlich in vielen Unternehmen möglich, wenn die tägliche Acht-Stunden-Schranke fällt. Wenn dafür die Wochenarbeitszeit reduziert werden soll, ist das in Zeiten des Fachkräftemangels der falsche Ansatz“, meint der Liberale.
Zuspruch aus dem Arbeitsrecht
Immerhin, einige Fürsprecher für den FDP-Vorstoß gibt es dann doch. So findet Dr. Alexander Bissels, Arbeitsrechtler und Partner bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle, den Vorschlag der FDP „grundsätzlich eine sehr gute Idee. Sie sei im Einklang „mit der seit der Coronapandemie stark zunehmenden Verbreitung der zeitlichen und auch örtlichen Entgrenzung der Arbeit (durch die Tätigkeit im Homeoffice oder eine mobile Tätigkeit)“, wie der Jurist in einem Linkedin-Post schreibt.
Etwas „wild“ werde es nach Ansicht Bissels dann, wenn seitens der FDP gefordert werde, dass solche Öffnungen mit Blick auf die Tages- beziehungsweise Wochenhöchstarbeitszeit zunächst für Branchen mit „starken ”Tarifverträgen, wie in der Chemieindustrie, dem Post- und Paketmarkt und der Logistikbranche, vorzusehen seien. Auch in der IT-Branche und anderen Berufsfeldern mit Homeoffice-Möglichkeiten sei dies, der FDP zufolge, denkbar.
„Ob man sich tatsächlich einzelne Branchen mit starken Tarifverträgen rauspicken kann oder möchte, dürfte hingegen meiner Einschätzung nach fraglich sein.“ Insgesamt begrüßt er die Initiative der FDP jedoch. Das Arbeitszeitgesetz entspreche nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Arbeiten und „bedarf einer grundsätzlichen Reform, mit der dann auch die Erfassung der Arbeitszeit eingeführt werden kann“.
Quelle: Personalwirtschaft.de




