Nachmittags schnell die Kinder aus dem Kindergarten abholen oder in der verlängerten Mittagspause ins Fitnessstudio gehen und dafür abends nochmal den Laptop aufklappen: Die Möglichkeit für flexibles Arbeiten wird oft geschätzt und als entlastend angesehen. Doch das ist nicht immer der Fall, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt.
Die Studie „Zusammenhänge zwischen Arbeitszeitfragmentierung, Zeit- oder Leistungsdruck, Arbeitszeit, Ruhezeit und Work-Life-Balance: Welche Rolle spielen Geschlecht und Elternschaft?“ von Nils Backhaus (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) und Yvonne Lott (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung) beschäftigt sich mit der Schattenseite des flexiblen Arbeitens. Arbeitszeitfragmentierung wurde von den Studienmachern dabei als mehrstündige Unterbrechung der Arbeit mit Weiterarbeiten in den Abendstunden definiert.
Problematisch an Arbeitszeitfragmentierung ist laut den Studienergebnissen nach, dass bei dem Wechsel zwischen Arbeitszeit zu Nicht-Arbeitszeit häufig Rollenwechsel einhergehen. Ein häufiger Wechsel zwischen den Rollen kann dabei zu Rollenkonflikten führen, weil die Rollen im Arbeitskontext und im Privatleben dabei um Ressourcen wie Zeit und Energie konkurrieren. Das Ganze führt dann oft zu einem gesteigerten Zeit- oder Leistungsdruck bei Beschäftigten. Denn Backhaus und Lott konnten auch herausfinden, dass Beschäftigte gerade dann Gebrauch von Arbeitszeitfragmentierung machen, wenn die Arbeit in der vorgesehenen Zeit nicht zu schaffen ist.
Flexibles Arbeiten führt oft zu verkürzten Ruhepausen
Durch die Fragmentierung der Arbeit und die Ausweitung der Arbeitszeit auf die Abendstunden entstehen darüber hinaus verkürzte Ruhezeiten. Je öfter Befragte von Arbeitszeitfragmentierung berichteten, desto wahrscheinlicher war es auch, dass sie zumindest einmal im Monat von verkürzten Ruhezeiten berichteten. Langfristig könne das im schlimmsten Fall gesundheitliche Probleme bei den Betroffenen nach sich ziehen und kurzfristig seien mindestens die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen.
Backhaus und Lott schlussfolgern: Die Unterbrechung der Arbeitszeit für private Verpflichtungen ermöglicht zwar eine Vereinbarkeit grundsätzlich, trägt aber nicht zwangsläufig zu einer höheren Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance bei. Denn je häufiger Arbeitnehmende von Arbeitszeitfragmentierung betroffen waren, desto schlechter bewerteten sie ihre eigene Work-Life-Balance.
Auch relevant: Die Studie zeigte auf, dass eine Arbeitszeitfragmentierung unter Umständen bestehende Rollenmuster bestärken und damit Diversitätsbemühungen entgegenstehen kann. So machen Frauen, kinderlose Männer und Väter mit häufigerer Arbeitszeitfragmentierung auch häufiger Überstunden, Mütter jedoch nicht. Der Grund: Mütter könnten ihre Arbeitszeit oftmals nicht ausdehnen, da die Möglichkeit zur Arbeitszeitfragmentierung häufig genutzt wird, um Care-Arbeit zu erledigen. Das führt dazu, dass Arbeitsmodelle, die eine stärkere Entgrenzung ermöglichen, mit einer traditionelleren Aufteilung von Kinderbetreuung verbunden sind. Diese größere Doppelbelastung von Frauen, insbesondere von Müttern, führt dazu, dass diese oft eine verkürzte Ruhezeit haben und dadurch ihre Work-Life-Balance als schlechter bewerten im Gegensatz zu Männern.
Unternehmen stehen in der Pflicht
Um die negativen Auswirkungen von Arbeitszeitfragmentierung zu minimieren, sollten Unternehmen klare Strukturen schaffen, die Orientierung bieten, findet Dr. Neşe Oktay-Gür. Sie ist Psychologin und CEO von Nap!, einer Unternehmensberatung für gesunde Arbeitskultur. „Führungskräfte können die Erholung der Mitarbeitenden fördern, indem sie Pausen und Freizeiten bewusst respektieren und eine gesunde Work-Life-Balance vorleben“, führt Oktay-Gür aus. Außerdem sei es hilfreich, Kommunikationsregeln einzuführen, um ständige Erreichbarkeit zu vermeiden. Durch diese kann der Austausch auf bestimmte Zeiträume und Kanäle begrenzt werden, was die Belastung durch fragmentierte Arbeitszeiten reduziere. „Kommunikation ist entscheidend, um Missverständnisse und Rollenkonflikte zu vermeiden“, sagt Oktay-Gür. Zudem seien Unternehmen gefragt, mit individuellen Lösungen und gezielter Unterstützung, wie soziale Rituale oder zusätzliche Betreuungsangebote, die unterschiedlichen Herausforderungen ihrer Mitarbeitenden aufzufangen.
Aber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten auch selbst Maßnahmen ergreifen, um sich vor den negativen Auswirkungen von flexiblem Arbeiten zu schützen. „Arbeitnehmende können feste Arbeits- und Pausenzeiten einplanen, um eine klare Trennung zwischen Job und Freizeit zu schaffen. Dazu gehört auch, digitale Geräte nach Feierabend bewusst auszuschalten“, sagt die Psychologin. Zudem sei es für die Selbstfürsorge essenziell, dass Arbeitnehmende regelmäßige Bewegung, Entspannungstechniken und soziale Aktivitäten in ihren Alltag einbauen. Diese könnten dazu beitragen, Stress abzubauen und so ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatem herzustellen.
„In der Praxis zeigt sich außerdem, dass individuelle Lebenssituationen großen Einfluss darauf haben, inwiefern flexible Arbeitsmodelle tatsächlich zur Work-Life-Balance beitragen“, sagt die BGM-Expertin.
Über die Studie
Die Studie wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt. Sie wird in der Sozialpolitik.ch 1/2025 erscheinen. Die Ergebnisse lagen der Personalwirtschaft vorab vor. Die Studie basiert auf Daten der repräsentativen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Arbeitszeitbefragungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA-) aus den Jahren 2019 und 2021.
Quelle: Personalwirtschaft.de