Seit Anfang des Jahres gilt das neue Familienpflegezeitgesetz. Arbeitnehmer sollen so Beruf und die Pflege naher Angehöriger besser miteinander vereinbaren können. Ein Rechtsanspruch besteht aber nicht. Ziel des Gesetzes ist die bessere Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege. Insbesondere hier war eine Verbesserung der gesetzlichen Regelungen auch mehr als überfällig.
Das Pflegezeitgesetz seit 2008
Bereits seit Juli 2008 existiert das Pflegezeitgesetz, nach dem Arbeitnehmer in einer akut auftretenden Pflegesituation eines nahen Angehörigen der Arbeit für bis zu zehn Arbeitstage fernbleiben dürfen. In dieser Zeit können sie, sofern es erforderlich ist, eine bedarfsgerechte Pflege organisieren oder selbst die pflegerische Versorgung sicherstellen (sog. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung, vgl. § 2 PflegeZG). Zudem können sich Beschäftige bis zu sechs Monate teilweise oder vollständige von der Arbeit freistellen lassen, um einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen (sog. Pflegezeit, vgl. § 3 PflegeZG). Lobenswert ist auch der besondere Kündigungsschutz von Arbeitnehmern, die eine kurzeitige Arbeitsverhinderung bzw. eine Pflegezeit in Anspruch nehmen (vgl. § 5 PflegeZG).Allerdings wurden die genannten Möglichkeiten von Arbeitnehmern in der Praxis bislang wenig genutzt. Vermutlich, weil sich vor allem die Pflegezeit nur wenige Arbeitnehmer finanziell überhaupt erlauben können. Denn während der Freistellung ruht das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitsvertragsparteien werden folglich von Ihren Hauptleistungspflichten suspendiert, weshalb die Beschäftigten während dieser Zeit keine Lohnfortzahlung – wie etwa in einem Krankheitsfall – erlangen! Diesen Makel versucht der Gesetzgeber, mit dem neuen Familienpflegezeitgesetz zu beseitigen. Kernstück des Gesetzes ist eine finanzielle Unterstützung während der Pflege. Gleichzeitig ermöglicht das Gesetz einen längeren Zeitraum der Pflege.
Die neue Familienpflegezeit
Arbeitnehmer haben jetzt die Möglichkeit, ihre nahen Angehörigen für die Dauer von bis zu zwei Jahren zu pflegen (§ 2 Abs. 1 S. 1 FPfZG). Allerdings werden die Arbeitnehmer in dieser Zeit nicht vollständig von ihrer Arbeit freigestellt. Das neue Gesetz sieht lediglich eine Reduzierung der Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden vor (§ 2 Abs. 1 S. 2 FPfZG).
Aufstockung des Gehalts
Während der Dauer der Familienpflegezeit stockt der Arbeitgeber das Gehalt des Arbeitnehmers um den hälftigen Betrag der Differenz zwischen dem bisherigen und dem verringerten Gehalt auf (gem. § 2 FPfZG). Im Gegenzug verpflichtet sich der Arbeitnehmer, im Anschluss an die Pflegzeit – der sogenannten Nachpflegezeit – so lange zu dem reduzierten Gehalt voll weiterzuarbeiten, bis der vom Arbeitgeber aufgestockte Betrag vom Arbeitnehmer wieder erwirtschaftet wurde.Ein Beispiel: Während der Familienpflegezeit reduziert eine Arbeitnehmerin ihre Arbeitszeit auf 50 Prozent, sie erhält aber weiterhin 75 Prozent ihres letzten Bruttoeinkommens. In der Nachpflegezeit muss sie zum Ausgleich voll arbeiten, erhält aber so lange nur 75 Prozent ihres Gehalts, bis ihr Zeitkonto wieder ausgeglichen ist.Zur Finanzierung des vom Arbeitgeber „auszulegenden“ Auftstockungsbetrages kann dieser beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein zinsloses Darlehen beanspruchen (gem. § 3 FPfZG).Für den Zeitraum der Familienpflege müssen Arbeitnehmer eine zusätzliche Versicherung abschließen. Damit sollen gerade für kleine und mittlere Unternehmen die Risiken einer Berufs- und Erwerbsunfähigkeit minimiert werden.
Besonderer Kündigungsschutz
Wie auch bei der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (gem. § 2 PflegeZG) und der Pflegezeit (gem. § 3 PflegeZG) genießt der Arbeitnehmer für die Dauer der Familienpflegzeit besonderen Kündigungsschutz. Konkret bedeutet das: Der Arbeitgeber darf während der Dauer der Familienpflegezeit und der Nachpflegezeit keine Kündigung aussprechen (vgl. § 9 Abs. 3 S. 1 FPfZG).Darüber hinaus wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei betriebsbedingten Kündigungen auch aus einer durchzuführenden Sozialauswahl herausnehmen können.
Kein gesetzlicher Anspruch
Allerdings müssen Arbeitnehmer, die Familienpflegezeit nutzen möchten, eine wesentliche Hürde nehmen. Denn während auf Pflegezeit ein gesetzlicher Anspruch besteht (gem. § 3 PflegeZG), ist für die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich. Ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers besteht folglich nicht. Die Vereinbarung mit dem Arbeitgeber muss schriftlich erfolgen und die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 FPfZG aufgezählten Angaben enthalten.Lesen Sie mehr zu dem Thema in unseren Fachbeiträgen des Arbeitsrechtlexikons:
- Familienpflegezeit – Allgemeines
- Familienpflegezeit – Auswirkungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber