Im Oktober und November stehen in vielen Betrieben Wahlen zur Jugend- und Auszubildendenvertretung an. Was es damit auf sich hat und was HR wissen sollte, erfahren Sie hier.

Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist die betriebliche Interessenvertretung der jugendlichen – also minderjährigen – und der zur Berufsausbildung Beschäftigten (also Azubis sowie gegebenenfalls Praktikanten, Werkstudierende oder Volontäre). Laut Gesetz nimmt sie „die besonderen Belange” dieser Personen wahr.

Die JAV wird regulär alle zwei Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November gewählt. Voraussetzung ist, dass im jeweiligen Betrieb mindestens fünf Arbeitnehmer tätig sind, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden.

Die regelmäßige Amtszeit der JAV beträgt zwei Jahre.

Praxistipp:

Wenn ein Mitglied der JAV im Laufe der Amtszeit sein Berufsausbildungsverhältnis beendet, bleibt es trotzdem bis zum Ablauf der Amtszeit im Amt (§ 64 Abs. 3 BetrVG). Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Amtszeit erlischt die Mitgliedschaft in der JAV jedoch (§ 65 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 3 BetrVG).

Aufgaben des Gremiums

Die JAV kann und soll

  • (beim Betriebsrat) Maßnahmen beantragen, die den von ihr vertretenen Beschäftigten zugutekommen. Das umfasst vor allem Fragen der Berufsbildung und der späteren Übernahme der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten in ein Arbeitsverhältnis
  • Schritte beantragen, um die tatsächliche Gleichstellung der weiblichen, männlichen und diversen jugendlichen und auszubildenden Arbeitnehmer durchzusetzen
  • kontrollieren, ob die für ihre Wählerinnen und Wähler geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen im Betrieb eingehalten werden
  • sich für die Integration ausländischer jugendlicher Beschäftigter und Azubis einsetzen.

Überdies ist das Gremium Ansprechpartner für Anregungen und Probleme und soll darauf hinwirken, dass diese gelöst werden.

Die Jugend- und Auszubildendenvertreter haben ein regelmäßiges Teilnahmerecht an den Sitzungen des Betriebsrats. Vielfach werden aus JAV- später auch Betriebsratsmitglieder.

Wahl der JAV

Den Startschuss für eine JAV-Wahl bildet die Bestellung des Wahlvorstands, der für die Organisation und Durchführung der Wahl verantwortlich ist. Bestellt wird das Gremium, das zumeist aus drei Personen besteht, vom Betriebsrat. Dieser soll spätestens acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit der amtierenden JAV die Mitglieder der JAV und einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende bestimmen.

Praxistipp:

Für den Wahlvorstand dürfen nicht nur Jugendliche und Auszubildende bestellt werden, sondern auch andere Arbeitnehmer im Betrieb. Insbesondere in Unternehmen mit starken Betriebsräten oder hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad engagiert sich hier nicht selten zumindest eine mitbestimmungserfahrene Person – auch, um Verfahrens- sowie Formfehler zu vermeiden und einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Wahlvorstandsmitglieder haben einen besonderen Kündigungsschutz.

Je nach Anzahl der Auszubildenden und jugendlichen Arbeitnehmer gibt es– analog zur Betriebsratswahl – zwei unterschiedliche Wahlverfahren.

  • In den allermeisten Fällen findet das so genannte vereinfachte Wahlverfahren (§ 14a Abs. 1 BetrVG) Anwendung. Das kommt in allen Betrieben zum Tragen, in denen in der Regel zwischen fünf und 100 Jugendliche oder zur Ausbildung beschäftigte Arbeitnehmer tätig sind.
  • Das vereinfachte Modell kann außerdem genutzt werden , wenn es zwischen 101 und 200 Wahlberechtigte gibt und Wahlvorstand und Arbeitgeber dies gesondert vereinbart haben.
  • Ansonsten gilt das normale Wahlverfahren.

Die Anzahl der (späteren) JAV-Mitglieder richtet sich laut § 62 Abs. 1 BetrVG nach der Größe der Wählerbasis. Sie beträgt:

Anzahl der Jugendlichen / Azubi Anzahl der JAV-Mitglieder
5 bis 20 1
21 bis 50 3
51 bis 150 5
151 bis 300 7
301 bis 500 9
501 bis 700 11
701 bis 1.000 13
mehr als 1.000 15

Kosten und Arbeitgeberpflichten bei der JAV-Wahl

Der Kosten einer JAV-Wahl sind vom Arbeitgeber zu tragen (§ 63 Abs. 2 Satz 2 BetrVG i.Vm. § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Das umfasst alle Ausgaben, die für eine ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahl erforderlich sind.

Konkret sind dies etwa

  • Kosten für die Anschaffung von notwendigen Wahlutensilien – sofern nicht bereits von der Betriebsratswahl vorhanden – wie Wahlurne, Wahlkabine sowie Wählerlisten, Stimmzettel, Stifte und Büromaterial
  • aktuelle Gesetzestexte sowie Fachliteratur (Kommentar oder Arbeitshilfen) zum Thema JAV-Wahlen.
  • Portokosten für die Briefwahl.
  • etwaige Schulungen von Wahlvorstandsmitgliedern – unter Umständen inklusive Übernachtung, Verpflegung und Fahrkosten
  • bei Streitigkeiten: Kosten, die bei einer gerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands oder einer Wahlanfechtung im Zusammenhang mit der JAV-Wahl oder entstehen.

Daneben muss der Arbeitgeber Mitglieder des Wahlvorstands und der JAV für erforderliche Tätigkeiten in ihrem Ehrenamt freistellen und die nötigen Ausfallzeiten wie Arbeitszeit vergüten. Das gilt auch für die Teilnahme von Azubis und Jugendlichen an der eigentlichen Wahl (§ 63 Abs. 2 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 20 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).

Praxistipp:

Sofern Mitglieder des Wahlvorstands oder der JAV aus betriebsbedingten Gründen ausnahmsweise notwendige Aufgaben außerhalb der üblichen Arbeitszeit wahrnehmen, haben sie Anspruch auf Freizeitausgleich oder Mehrarbeitsvergütung.

Ferner haben Personalabteilungen bei der Vorbereitung Wahl eine Mitwirkungspflicht: So muss HR dem Wahlvorstand alle zur Anfertigung der Wählerliste (Wahlverzeichnis) erforderlichen Auskünfte zur Verfügung stellen. Das sind

  • Namen, Geschlecht und Geburtstag aller Jugendlichen und Auszubildenden im Betrieb – und zwar
  • getrennt nach Geschlechtern und jeweils in alphabetischer Reihenfolge.

In Zweifelsfällen darf der Wahlvorstand auch weitere Unterlagen – etwa Personalstatistiken, Organigramme oder sogar Verträge (diese nur zur Einsicht) anfordern.

Die Daten dienen dazu festzustellen, wer das aktive und wer (auch) das passive Wahlrecht.

Praxistipp:

Auch wenn sich das viele Arbeitgeber und auch Betriebsräte wünschen, sind Online-Wahlen zu den betrieblichen Interessenvertretungen nach derzeitiger Gesetzeslage nicht erlaubt. Das gilt auch im Fall der JAV.

Kündigungs- und Mandatsschutz / Keine Benachteiligung oder Begünstigung

JAV-Mitglieder genießen gemäß § 15 KSchG – ebenso wie Betriebsratsmitglieder – einen besonderen Kündigungsschutz und können ordentlich gekündigt werden. Ausnahmen sind nur bei Stilllegung des Betriebes oder einer Betriebsabteilung möglich.

Eine außerordentliche Kündigung von JAV-Mitgliedern ist nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zu einer Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Zudem muss die laut § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegen oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt worden sein.

Bei der Ausübung des Mandates sind sowohl das Gremium selbst als auch die einzelnen Mitglieder laut § 78 Satz 1 BetrVG vor Störungen und Behinderungen geschützt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dies vorsätzlich geschieht oder eine Behinderungsabsicht nachweisbar ist.

Zudem dürfen Jugend- und Auszubildendenvertreter gemäß § 78 Satz 2 BetrVG„wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung”.

Unbefristete Übernahme nach der Ausbildung?

Beabsichtigt ein Arbeitgeber, einen Azubi, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung (oder des Betriebsrats) ist, nach Beendigung der Lehre nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so muss er das der betreffenden Person drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich mitteilen.

Umgekehrt gilt, dass zwischen Auszubildendem und Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wird, wenn ein JAV-Mitglied innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt (§ 78a BetrVG).

Arbeitgeber können aber bis spätestens zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht beantragen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, oder das bereits begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen. Sie müssen dazu, so verlangt es § 78a Abs. 4 BetrVG, jedoch „Tatsachen” vorlegen, auf Grund derer ihnen „unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann”.

Praxistipps:

Die Übernahme eines durch § 78a BetrVG geschützten Auszubildenden ist dem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang laut einem Urteil des Bundearbeitsgerichts übrigens „nicht allein deshalb unzumutbar, weil er sich entschlossen hat, einen Teil der in seinem Betrieb anfallenden Arbeitsaufgaben künftig Leiharbeitnehmern zu übertragen” (BAG, 16.07.2008 – 7 ABR 13/07).

Andererseits gelten betriebliche Praxisphasen im Rahmen eines dualen Studiums nicht als Berufsausbildung i.S.v. § 78a BetrVG. Ein Weiterbeschäftigungsverlangen in einer solchen Konstellation läuft daher zwangläufig ins Leere und begründet kein Arbeitsverhältnis (BAG, 17.06.2020 – 7 ABR 46/18).

Zuordnung und Wahlberechtigung im Unternehmens- oder Konzernverbund

In Unternehmensgruppen oder Konzernen kommt es nicht selten vor, dass sich mehrere Betriebe die Ausbildung teilen. In punkto Zuordnung eines oder einer Auszubildenden für die JAV-Wahl kommt es dabei auf die konkrete Vertragsgestaltung an. Das heißt, die entsprechende Person ist in dem Betrieb oder Unternehmen wahlberechtigt, mit dem der Vertrag geschlossen wurde. Bei speziellen, zumeist ausgegliederten Ausbildungsbetrieben kann dabei der Fall eintreten, dass jemand – trotz anders lautender Vertragsbindung – diesem Ausbildungszentrum zuzuordnen ist.

Quelle: Personalwirtschaft.de

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