Symptomlose Corona-Infizierte müssen sich nicht mehr überall isolieren. Das hat auch Folgen für Arbeitgeber. Besonders, wenn Beschäftigte aus Bundesländern mit anderen Regeln pendeln.

In Bayern gibt es seit dem 16. November keine Isolationspflicht bei einer Corona-Infektion. Drei weitere Bundesländer wollen die bisher geltende Regelung in naher Zukunft aufheben. Dann müssen sich in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein Menschen, die positiv auf das Corona-Virus getestet wurden, aber keinerlei Symptome verspüren, nicht mehr fünf Tage lang in Quarantäne begeben. Die Corona-Infektionszahlen seien zurückgegangen, die Basisimmunität der Bevölkerung liege bei etwa 90 Prozent und die Krankheitsverläufe seien in der Regel nicht schwer, heißt es in einer Mitteilung von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer.

Durch die Aufhebung der Isolationspflicht dürfen symptomlose Infizierte ihre Wohnung verlassen und mit Maske zur Arbeit gehen. Was den Infizierten mehr Freiheit verspricht, stellt Arbeitgeber vor eine Herausforderung. Und zwar nicht nur, weil unklar ist, an welche Regeln sich die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen halten, sondern auch, weil Arbeitgeber immer noch ihrer Fürsorgepflicht nachkommen müssen. In engen Büros kann es schließlich schnell zu einer Ansteckung kommen.

Besonders kompliziert wird die Situation in jenen Fällen, in denen Angestellte in einem Bundesland wohnen, in denen eine andere Regelung hinsichtlich der Isolationspflicht gilt als in dem Bundesland ihres Arbeitsplatzes. Welche Regeln gelten dann? Wir haben nachgefragt.

Szenario Nummer 1

Ein Mitarbeiter ist positiv auf das Corona-Virus getestet und wohnt in einem Bundesland, in dem es keine Isolationspflicht gibt, und arbeitet in einem Bundesland mit der Pflicht, bei einer Infektion in der eigenen Wohnung zu bleiben.

In diesem Fall muss der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit im Betrieb gehen, sagt Arne Graßmay, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Heilig. Der Arbeitgeber zahlt ihm während der Quarantäne-Zeit weiterhin sein Gehalt und bekommt dieses prinzipiell auch vom Staat erstattet.

Die Erstattung ist allerdings an eine Bedingung geknüpft – und jetzt wird es etwas komplizierter: Im Arbeitsvertrag muss der Arbeitgeber festgehalten haben, dass der Paragraf 616 BGB keine Anwendung findet. Denn dieser Paragraf besagt: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“ Anders formuliert: Der Zeitraum von fünf Tagen Isolation ist zu kurz, damit das weitergezahlte Gehalt vom Staat erstattet wird. „Damit schieben sich Staat und Arbeitgeber praktisch gegenseitig den Schwarzen Peter zu“, sagt Graßmay. Wer es als Arbeitgeber versäumt hat, die Anwendung der obigen Vorschrift im Arbeitsvertrag auszuschließen, bekommt folglich den weitergezahlten Lohn nicht erstattet. Eine letzte Möglichkeit, um doch noch die staatliche Erstattung zu erhalten, gibt es laut Graßmay allerdings noch. Der Arbeitgeber kann mit seinem Mitarbeiter eine Ergänzungsvereinbarung treffen, in der formuliert wird, dass der Paragraf 616 BGB keine Anwendung findet. Doch: „Eine nachträgliche Vereinbarung mit Rückwirkung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfte im Übrigen problematisch sein“, sagt der Arbeitsrechtler.

Während Graßmay die Lohnfortzahlung als komplizierte Angelegenheit aber als geklärt sieht, ist Arbeitsrechtler Michael Fuhlrott von der Kanzlei Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB anderer Meinung. Für ihn ist laut aktuellem Stand unklar, ob der Arbeitnehmer eine staatliche Entschädigung erhält. „Hier sehe ich Konfliktpotenzial“, schreibt er auf Linkedin.

Eine mögliche Lösung, um als Arbeitgeber trotzdem von der Arbeitskraft des infizierten Beschäftigten Gebrauch zu machen, könnte zumindest in größeren Unternehmen eine zeitweise Versetzung an eine Niederlassung des Unternehmens sein, an deren Ort auch keine Isolationspflicht gilt. Dafür muss es allerdings eine Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag geben. Denn: „Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht einfach so an einen anderen Standort für kurze Zeit verschieben“, sagt Graßmay.

Szenario Nummer 2

Eine Mitarbeiterin arbeitet in einem Bundesland, in dem sie sich nicht in Isolation begeben muss, wohnt aber an einem Ort, an dem die Isolationspflicht gilt.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht müsste sie in den Betrieb kommen. Doch damit würde sie auf dem Weg zur Arbeit gegen die Regeln in ihrem Bundesland verstoßen. „In diesem Fall kann der Arbeitgeber nicht darauf bestehen, dass die Mitarbeiterin zur Arbeit kommt“, sagt Graßmay. „Sonst würde er die Beschäftigte dazu anstiften, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.“ Was die Bezahlung der Mitarbeiterin angeht, gelten dieselben Regelungen, wie oben beschrieben.

Dass es überhaupt zu diesen Fragestellungen kommt, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kritisiert. Es gebe nun einen Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen, schrieb er auf Twitter. Anders als seine Kolleginnen und Kollegen aus den vier vorgepreschten Bundesländern sieht er zudem keinen medizinischen Grund, um die Isolationspflicht aufzuheben.

Quelle: Personalwirtschaft.de

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