Rund ein Viertel der Vorstandsmitglieder in den Dax-40-Unternehmen ist mittlerweile weiblich. Damit ist der Frauenanteil auf der obersten Führungsebene so hoch wie nie zuvor und im Vergleich zu Ende 2023 um zwei Prozentpunkte gestiegen. Das geht aus einer aktuellen Analyse der Personalberatung Russel Reynolds Associates hervor.
Bezüglich des Anteils weiblicher Top-Führungskräfte gehört Deutschland demnach zur europäischen Spitze – nach Großbritannien, Norwegen, Schweden, Frankreich und Finnland. In zwei der Dax-40-Unternehmen gibt es seit dem vergangenen Jahr erstmals eine weibliche CEO: Bettina Orlopp bei der Commerzbank und Karin Radström bei Daimler Truck. Beide gesellen sich zu Bélen Garijo, die seit 2021 CEO von Merck ist. Im Vorstand der Commerzbank herrscht zudem Parität, wie auch auf der obersten Führungsebene bei Siemens Healthineers. Als Negativbeispiel fungiert dahingegen Porsche. Der Automobilhersteller hat als einziges Dax-40-Unternehmen keine Frau im Vorstand.
Diskrepanz zwischen Frauenanteil im Vorstand und Belegschaft
Doch ein weiblicherer Vorstand heißt noch nicht, dass der Frauenanteil im Rest der Belegschaft ebenfalls hoch ist. Es gelinge den Unternehmen nicht, den Frauenanteil in Führungspositionen proportional zur Gesamtbelegschaft zu gestalten, heißt es vonseiten Russel Reynolds Associates. So sei beispielsweise der Frauenanteil im Vorstand von Siemens Healthineers 18 Prozentpunkte höher als der in der Belegschaft des Unternehmens, und bei Fresenius um 48 Prozentpunkte niedriger.
„Die diverse Besetzung von Vorstandsorganen hat eine enorme Signalwirkung nach außen und nach innen“, sagt Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Europäischen Board & CEO Praxisgruppe von Russell Reynolds Associates. „Daher ist es richtig, wenn Aufsichtsgremien besonders intensiv nach geeigneten Kandidatinnen für Vorstandsbesetzungen suchen. Gleichzeitig wäre es falsch, die eigentliche Herausforderung zu unterschätzen, nämlich einen ausgewogenen Geschlechteranteil über alle Führungsebenen hinweg zu erreichen“, so Pietralla. „Erst wenn wir diesem Zielbild nahe kommen, wird die ausgewogene Vorstandsbesetzung ebenso natürlich wie nachhaltig erfolgen.“
Schaut man sich alle börsennotierten Unternehmen sowie die im Regulierten Markt, paritätisch mitbestimmten Unternehmen an (insgesamt 178 ander Zahl), ist der Frauenanteil etwas niedriger und liegt bei rund 20 Prozent. Das zeigt eine Analyse von FidAR (Initiative und Verein für mehr „Frauen in die Aufsichtsräte”). Aus ihr geht auch hervor: Während der Frauenanteil in den Vorständen jährlich steigt, stagniert er in den Aufsichtsräten aktuell bei etwa 37 Prozent.
„Wir sehen bei den Dax-40-Vorständen, was verbindliche Regelungen für gleichberechtigte Teilhabe bewirken können“, sagt FidAR-Gründungspräsidentin Monika Schulz-Strelow und bezieht sich damit auf die Wirkung der zwei Führungspositionengesetze, welche eine Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände vorgeben. Trotz der positiven Entwicklung sind die meisten Dax-Unternehmen weit von einer Parität (einer gleichmäßigen Verteilung von Frauen und Männern) entfernt. „Handeln die Unternehmen hier nicht engagierter, müsste der Gesetzgeber wieder handeln und das erklärte Ziel der gleichberechtigten Teilhabe einfordern.“
So können Unternehmen Frauen fördern
Um den Anteil weiblicher Führungskräfte auf allen Ebenen zu fördern, können Organisationen Fachleuten zufolge in verschiedener Hinsicht tätig werden. Zunächst einmal gehe es darum, innerhalb des Unternehmens Vorurteile gegenüber Frauen und deren Führungsfähigkeiten und -kapazitäten anzuschauen und abzubauen – etwa durch Sensibilisierung und Aufklärung dazu oder durch KI-basierte Tools, um Voreingenommenheit (sogenannte Biases) im Recruiting zu vermeiden. Im Unternehmen angekommen, sollten Frauen zudem gezielt gefördert werden.
Laut Kathleen Dunton, Managing Partner bei der Personalberatung Boyden, können hierbei Mentoring-Programme und Frauennetzwerke hilfreich sein. So können individuelle Weiterbildungspläne entstehen und Frauen für Führungspositionen begeistert und empfohlen werden. Auch erhielten weibliche Talente so Wissen von (anderen) Frauen in Führungspositionen, das für ihre eigene Karriere hilfreich ist.
Für eine Frauenförderung sei es zudem wichtig, dass Unternehmen die Vereinbarkeit von Karriere und Familienleben gewährleisten. In vielen Fällen sind weibliche Berufstätige noch immer für einen Großteil der Care-Arbeit verantwortlich. Sie könnten nur Führungsrollen übernehmen, wenn ihr Arbeitgeber ihnen ein flexibles Arbeiten ermöglicht, sie bei der Organisation von Kinderbetreuung und Pflege unterstützt oder auch Führungsmodelle wie Co-Leadership und Führung in Teilzeit umsetzt. „Für viele potenzielle weibliche Top-Managerinnen lässt die aktuelle strukturelle Inflexibilität Führungspositionen zu oft unattraktiv erscheinen“, sagt Dunton. „Sie wollen und können sich nicht mehr zwischen beruflichem Aufstieg beziehungsweise Wiedereinstieg und familiären Engagement entscheiden.“
Leadership-Programme müssten folglich ein Stück weit an die Lebensrealität von Frauen angepasst werden. Dafür sollten Unternehmen laut Oliver Kempkens, Managing Partner der Executive Search Boutique Kempkens x Kohler, ihre internen Bewertungs- und Beförderungsrankings modernisieren. Denn bei den aktuellen Rankings fielen Frauen oftmals durch Schwangerschaften und Elternzeit zurück.
Quelle: Personalwirtschaft.de