Zum 1. Oktober 2022 steigt der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro brutto pro Stunde (§ 1 Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns). Den gesetzlichen Mindestlohn gibt es in Deutschland bereits seit dem 1. August 2015. Damals lag er bei 8,50 Euro brutto pro Stunde. In mehreren Stufen ist er zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro gestiegen. Im Oktober wird er ein weiteres Mal angehoben.
Die Erhöhungen des Mindestlohns bedeuten für Unternehmen eine finanzielle Belastung. Zudem stellt sich ihnen die Frage, welche Lohnarten und welche Vergütungsbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden können und welche sie zusätzlich zahlen müssen.
Rechtsprechung gibt Anhaltspunkte
Antworten darauf gibt nicht das Gesetz. Vielmehr sind sie in der bisherigen Rechtsprechung zu finden. Seit Einführung des Mindestlohns ist die Anrechnung verschiedener Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohnanspruch immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen gewesen, und es gibt mittlerweile mehrere gerichtliche Entscheidungen dazu.
Auch wenn es sich dabei zum Teil um Einzelfallentscheidungen handelt, können sie Unternehmen einen Anhaltspunkt geben. So beurteilten Gerichte die Abgrenzung immer danach, welchen Zweck die finanzielle Leistung des Arbeitgebers erfüllen soll und ob der Arbeitgeber sie unabhängig oder abhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zahlt.
Welche Vergütungsbestandteile sind auf den Mindestlohn anzurechnen?
Das bedeutet, es sind solche Zahlungen auf den Mindestlohnanspruch anrechenbar, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung geleistet werden. Somit kommt eine Anrechnung folgendermaßen in Betracht.
- Ein Leistungsbonus ist in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen, anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen. Das hängt damit zusammen, dass ein Leistungsbonus einen Bezug zur Arbeitsleistung hat und nach der Rechtsprechung „Lohn im eigentlichen Sinn“ ist.
- Akkordlöhne können Unternehmen grundsätzlich auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen, da sie für die tatsächlich erbrachte Leistung gezahlt werden. Das kann dazu führen, dass der tatsächlich gezahlte Stundenlohn (Grundlohn plus Akkordlohn) über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt.
- Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, Schichtzulagen, Treue-, Vertretungs- und Anwesenheitsprämien sind ebenfalls auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar.
- Nachtarbeitszuschläge können Arbeitgeber dagegen nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Das begründet das Bundesarbeitsgericht (BAG) damit, dass Nachtarbeitszuschläge gemäß § 6 Arbeitszeitgesetz gesetzlich geschuldet sind und sich daraus eine gesetzliche Zweckbestimmung ergibt. Das gilt allerdings nur, wenn die Zahlung der Nachtarbeitszuschläge auf dem genannten Paragraphen beruht und nicht aufgrund einer betrieblichen Übung erfolgt.
- Einmalige Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld können Unternehmen auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Voraussetzung für eine Anrechenbarkeit ist jedoch, dass der Arbeitgeber die Sonderzahlung aufgrund der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gewährt. Beachten müssen Arbeitgeber, dass sie einmalige Sonderzahlungen nur in dem Monat auf den Mindestlohn anrechnen können, in dem sie die Sonderzahlung ausgezahlt haben. Zahlen sie die Sonderzahlung in monatlichen Raten, können sie sie jeden Monat anteilig auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen.
- Beim Urlaubsgeld differenziert das BAG: Ist das Urlaubsgeld eine Sonderzahlung für erbrachte Arbeitsleistung, kann es auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden. Ist es kein Entgelt für eine geleistete Arbeit, etwa wenn es an den Urlaubsanspruch gekoppelt ist, können Unternehmen es nicht mit dem Mindestlohnanspruch verrechnen.
- Ob Sachbezüge auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden können, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil verneinen Gerichte ihre Anrechenbarkeit mit der Begründung, dass der gesetzliche Mindestlohn durch Zahlung eines Geldbetrags zu leisten sei. Dem steht entgegen, dass der Wortlaut des § 1 Mindestlohngesetz das nicht explizit verlangt, so dass Sachbezüge auch als Teil des Arbeitsentgelts gewertet werden könnten.
Quelle: Total Rewards