Die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen sind im ersten Halbjahr dieses Jahres stark gestiegen. Laut einer Erhebung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) betrug der Anstieg der Fehlzeiten wegen seelischer Erkrankungen in diesem Zeitraum 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2022. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, zählte die KKH die Zahl der Kalendertage, in denen ihre Versicherten ärztliche Atteste hatten. Rentnerinnen, Rentner und Arbeitslose wurden dabei rausgerechnet. Auf 100 KKH-Mitglieder kamen in den ersten sechs Monaten von 2023 303 Ausfalltage. Im vergangenen Jahr betrugen die Fehlzeiten wegen seelischer Erkrankungen im gleichen Zeitraum 164 Tage. Im gesamten Jahr 2022 ergaben sich 339 Krankheitstage aufgrund von Depressionen, Angststörungen, Anpassungsstörungen und ähnlichen Erkrankungen; damit betrugen die Fehlzeiten im gesamten Jahr 2022 nur 36 Tage mehr als im ersten Halbjahr 2023. Zum Vergleich: 2019, im Jahr vor der Corona-Pandemie, entfielen auf 100 Mitglieder 274 Fehltage wegen psychischer Erkrankungen.
Auch die Arbeitsunfähigkeitsquote stieg im ersten Halb Jahr 2023. So bezeichnet die KKH die Zahl der Krankschreibungen im Verhältnis zu den berufstätigen Mitgliedern. Hier errechnete die KKH einen Anstieg von rund 23 Prozent im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Jahres 2022. Die durchschnittlich längsten Fehlzeiten, die aufgrund von psychischen Leiden entstanden, betrugen 112 Tage und entfielen 2023 auf wiederkehrende Depressionen. Im Durchschnitt 71 Tage krank waren Berufstätige, die an depressiven Episoden litten. Depressionen in ihren verschiedenen Ausprägungen machen jedoch nicht die Mehrheit der psychischen Erkrankungen aus. Stattdessen wurden mit 41 Prozent die meisten Erwerbstätigen mit akuten Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen krankgeschrieben.
Soziale Berufe besonders betroffen
Laut der Erhebung seien besonders soziale Berufe wie in der Alten- und Krankenpflege, in der Kinderbetreuung sowie im Verkauf betroffen. Auch Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, weist auf einzelne Berufsgruppen hin, in denen die Problematik besonders groß sei, nämlich solche Berufsgruppen, in denen übermäßig Personalmangel herrscht, „weil Stress und Überstunden den Krankenstand hochtreiben können.“ Auch hier werden besonders die Altenpflege und Kinderbetreuung erwähnt.
Bereits Anfang des Jahres meldete die DAK-Gesundheit in ihrem Psychreport, dass der Arbeitsausfall aufgrund psychischer Erkrankungen einen Zehn-Jahres-Höchststand erreicht hat. Ähnliche Zahlen verkündet die Krankenkasse für das erste Halbjahr 2023: Im Vergleich zum Vorjahr wurden ungewöhnlich viele krankheitsbedingte Ausfälle verzeichnet, psychische Erkrankungen miteingeschlossen. Die Hälfte der Beschäftigten hatte bis Ende Juni mindestens eine Krankschreibung. Damit liegt der Krankenstand mit 5,5 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, als er 4,4 Prozent betrug. Laut der DAK-Gesundheit stiegen die Krankschreibungen speziell wegen psychischer Erkrankungen um 60 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022.
Somit ist sowohl laut der KKH als auch der DAK-Gesundheit der Krankenstand wegen psychischer Leiden deutlich angestiegen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass Anfang dieses Jahres das neue elektronische Meldeverfahren für Krankschreibungen eingeführt wurde. Das stellt sicher, dass Krankschreibungen automatisch und zuverlässig in die Statistiken der Krankenkassen eingehen. Gerade bei kurzen Krankheiten bestand vorher die Möglichkeit, dass die Erwerbstätigen ihre Krankmeldung nicht an die Krankenkassen übertragen haben.
Stresslevel der Berufstätigen gestiegen
Ein weiterer Grund für die erhöhten Krankenstände sind die gestiegenen Stresslevel der Erwerbstätigen. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH bestätigt, dass 90 Prozent der Erwerbstätigen sich zumindest lediglich gestresst fühlen, rund die Hälfte davon sogar häufig oder sehr häufig. Für diese Umfrage hat Forsa ungefähr 1000 Personen im Alter von 18 bis 70 befragt, darunter 772 Erwerbstätige. Fast zwei Drittel der Berufstätigen fühlt sich unter Stress erschöpft und ausgebrannt. 60 Prozent sagen, der Stress habe in den vergangenen ein bis zwei Jahren zugenommen.
Die Umfrage gibt verschiedene Stressfaktoren an: Hohe Ansprüche an sich selbst (51 Prozent) liegen vorne, dahinter folgen der Beruf sowie aktuelle politische und gesellschaftliche Themen (jeweils 47 Prozent). Auch die ständige Erreichbarkeit über Smartphone und soziale Netzwerke (37 Prozent) sowie finanzielle Sorgen (24 Prozent) stressen die Berufstätigen.
Quelle: Personalwirtschaft.de