Wer mit Kollegen das Gehalt vergleicht, ist unzufriedener. Klare Regeln bei der Lohngestaltung und Transparenz sorgen für eine bessere Fairness-Wahrnehmung.

Eine faire und angemessene Bezahlung ist für die Beschäftigten in Deutschland der entscheidende Faktor bei der Jobwahl, das hat kürzlich eine Umfrage des Personaldienstleister SD Worx ergeben. Demnach entscheiden sich 59 Prozent der Befragten in Deutschland vor allem aufgrund des Gehalts für oder gegen einen Job. Der Grund: „Ein angemessenes und faires Einkommen schafft finanzielle Sicherheit und wird gleichzeitig als Ausdruck der Wertschätzung der eigenen Leistung empfunden. Besonders in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten, die viele Arbeitnehmende belasten, nimmt die Bedeutung einer attraktiven Vergütung weiter zu“, analysieren die Studienautoren und -autorinnen.

Doch was genau ist eigentlich eine faire Bezahlung? Oder genauer gesagt – wann empfinden Beschäftigte ihre Entlohnung als fair – oder unfair? Mit dieser Frage setzt sich eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, auseinander. Dabei wurde untersucht, welche Rolle das Arbeitsumfeld bei der Bewertung des eigenen Lohnes spielt. Die Daten basieren auf einer Befragung von rund 6.500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus 540 größeren deutschen Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten, die zwischen Mai und August 2021 an der Online-Befragung teilnahmen.

Die meisten Beschäftigten fühlen sich unfair entlohnt

Die Ergebnisse sind durchaus alarmierend. Nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten (39 Prozent) empfindet demnach ihren aktuellen Bruttolohn als fair. Die klare Mehrheit (56 Prozent) aber ist der Meinung, einen zu niedrigen Lohn zu bekommen.

Die Studienautoren und -autorinnen haben sich dabei vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der empirischen Gerechtigkeitsforschung mit der Frage auseinandergesetzt, wie Fairnesswahrnehmungen von Löhnen entstehen und welche Erklärungsfaktoren diese Wahrnehmung beeinflussen. „Soziale Vergleiche spielen bei der Beurteilung gerechter Löhne eine zentrale Rolle“, heißt es in der Studie. Würden etwa andere Beschäftigte in demselben Job bei gleicher oder geringerer Arbeitszeit mehr verdienen oder in demselben Job bei weniger Arbeitszeit gleich viel verdienen, empfänden die Beschäftigten den eigenen Lohn als unfair.

Konkret beschäftigte sich das IAB-Autorenteam mit der Rolle des Arbeitsumfeldes bei der Einschätzung von fairen Löhnen. Dabei könne es beispielsweise relevant sein, ob in der Belegschaft überhaupt ein Austausch über Löhne stattfinde und somit konkrete Vergleiche möglich seien. Außerdem brächten institutionalisierte Wege der Lohnfestlegung, zum Beispiel durch Branchen- oder Haustarifverträge, mehr Klarheit über die Kriterien der Lohnfestsetzung, und institutionalisierte Ansprechstationen wie Betriebsräte können bessere Beschwerdemöglichkeiten bieten.

Wer mit Kollegen redet, ist kritischer

Es zeigte sich, dass Beschäftigte, die sich in der Vergangenheit mit ihren Kolleginnen und Kollegen über ihre Löhne ausgetauscht haben, diese als niedriger wahrnahmen als Beschäftigte, die sich nicht über ihre Löhne ausgetauscht haben. Laut der IAB-Studie deute dies darauf hin, dass Lohntransparenz im Arbeitsumfeld ermöglicht, fundierte Vergleiche vorzunehmen. „Das Ergebnis könnte allerdings auch ein Hinweis darauf sein, dass Personen, die sich unfair entlohnt fühlen, eher im Kollegenkreis über ihre Entlohnung sprechen.“

Gibt es Tarifverträge mit entsprechend formalisierten Lohnfestsetzungen, führt dies dagegen dazu, dass die Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben ihre Löhne tendenziell als gerechter wahrnehmen. Die strukturelle Klarheit über die Kriterien für die Bezahlung habe somit unabhängig von der Höhe der Löhne einen positiven Effekt auf das Gerechtigkeitsempfinden der Beschäftigten, heißt es in der IAB-Studie.

Ähnliches gilt auch, wenn Betriebsräte im Unternehmen sind: Auch dann steigt die wahrgenommene Fairness des eigenen Lohns. „Die Möglichkeit, sich bei Konflikten hinsichtlich des Lohns an eine interne Interessensvertretung wenden zu können, scheint somit ein weiterer positiver Einflussfaktor für die Wahrnehmung der Beschäftigten hinsichtlich gerechter Löhne zu sein.“ Eine überraschende Erkenntnis aus der Studie ist die unterschiedliche Relevanz von Betriebsräten für Männer und Frauen. „In Betrieben ohne Betriebsrat empfinden Frauen ihre Bezahlung häufiger als ungerecht als Männer in solchen Unternehmen.“ Seien Betriebsräte als interne Anlaufstelle für Beschwerden unter anderem zur Entlohnung vorhanden, so nähmen Arbeitnehmerinnen ihre Löhne seltener als unfair wahr.

Wie Arbeitnehmende ihre eigene Bezahlung einordnen, wird auch international betrachtet. Die Unternehmensberatung Mercer hat erst kürzlich entsprechende Daten veröffentlicht. Demnach glauben von 2,7 Millionen Befragten weltweit immerhin gut die Hälfte (55 Prozent), dass sie für das, was sie tun, fair bezahlt werden. Auch Mercer warnt vor der Wirkmacht der subjektiven Sicht auf diese Frage: Die Wahrnehmung könne einflussreicher sein als die Realität, wenn die Arbeitgeber nicht transparent seien. Faire Bezahlung bedeute auch nicht zwangsläufig mehr Lohn.

Beschäftigte wünschen Transparenz

Auch wenn die IAB-Studie nahelegt, dass der kollegiale Austausch über den eigenen Lohnzettel die Unzufriedenheit eher stärken könnte, gibt es doch unter den Beschäftigten offenbar schon seit Längerem ein erhebliches Bedürfnis nach mehr Offenheit. So sprach sich bei einer kununu-Befragung Ende 2022 unter gut tausend Personen zum Thema Gehaltstransparenz eine klare Mehrheit (56 Prozent) dafür aus, dass der Arbeitgeber zumindest den Gehaltsrahmen der Mitarbeitenden offenlegt. Fast ein Drittel (31 Prozent) wäre demnach sogar damit einverstanden, wenn die genauen Gehaltszahlen veröffentlicht werden. Grund für diese Sehnsucht nach Offenheit sei bei zwei Drittel der Befragten die Überzeugung, dass dadurch das Gefühl für Fairness und Gleichbehandlung in der Belegschaft steigt.

Im Hinblick auf die Transparenz ist ohnehin vieles in Bewegung. Schließlich muss bis Juni 2026 in Deutschland die Entgelttransparenzrichtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt werden. Doch was genau das neue Gesetz beinhalten und welche Formulierungen es enthalten wird, ist noch unklar. Fachleute empfehlen jedenfalls schon jetzt im Hinblick auf das künftige Gesetz den Unternehmen, ihre eigenen Gehaltsstrukturen genau zu analysieren und Aspekte wie die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Hinblick auf Beförderungen, Weiterbildungen, Boni oder die Verdiensthöhe von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten abzuklopfen. Außerdem, so sagte etwa Bentje Grünewald, Head of Compensation bei DKV Mobility, der Personalwirtschaft, sei es wichtig, „zu einem gemeinsamen Verständnis mit der Arbeitnehmervertretung oder dem Betriebsrat“ zu kommen. Dieses solle in einer Betriebsvereinbarung niedergeschrieben sein, denn das schaffe für alle Beteiligten Transparenz und installiere eine Kontrollinstanz.

Verbot ist keine Lösung

Mehr Transparenz bei den Gehaltsstrukturen wird es in Zukunft auf jeden Fall geben. Inwieweit diese größere institutionalisierte Offenheit sich auch auf die Kommunikation zwischen den Beschäftigten über die Zahlen auf dem jeweiligen Gehaltszettel auswirken wird, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch klar: Auch wenn die IAB-Studie darauf hindeutet, dass mehr Gespräche unter den Mitarbeitenden zu mehr Unzufriedenheit führen können, ist ein Verbot von Gehaltsvergleichen untereinander keine Option. Klauseln in Arbeitsverträgen, dass sich die Belegschaft nicht über ihr Entgelt austauschen darf, sind jedenfalls grundsätzlich unwirksam, erläuterte der Arbeitsrechtler Stefan Gatz.

Quelle: Personalwirtschaft.de

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