Arbeitnehmer können ihre Freistellung im Rahmen der Pflegezeit nicht aufteilen, sondern müssen sie an einem Stück nehmen. Das hat das LAG Baden-Württemberg kürzlich entschieden (Az.: 20 Sa 87/09).

Arbeitnehmer dürfen zur Pflege naher Angehöriger laut § 4 Abs. 1 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) bis zu sechs Monate Freistellung von der Arbeit in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit genießen sie besonderen Kündigungsschutz. Eine „Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Abschnitte“, also das Splitten des Anspruchs, ist hingegen nicht möglich. Das hat das LAG Baden-Württemberg kürzlich in einem Urteil klargestellt, das für Arbeitgeber und Beschäftigte gleichermaßen interessant ist (Az.: 20 Sa 87/09).

Hintergrund ist der Fall eines Betriebsmittelkonstrukteurs, der sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmerte. Nachdem der Mann bereit im Juni 2009 für fünf Tage Pflegezeit in Anspruch genommen hatte, zeigte er im folgenden Winter an, dass er sich am 28. und 29.12.2009 erneut um die Frau kümmern würde. Diesen Wunsch lehnte die Firma allerdings ab, da er „von seinem Recht auf Freistellung zur Pflege seiner Mutter bereits einmal Gebrauch gemacht habe und dieses damit erschöpft sei“. Allerdings bot man ihm für die beiden Tage unbezahlte Freistellung an.

Dagegen wandte sich der Mitarbeiter vor Gericht mit dem Argument, der Höchstanspruch von sechs Monaten Pflegezeit könne „auch mehrmals in nicht zusammenhängenden Abschnitten bis zur Erreichung der Pflegehöchstdauer geltend gemacht werden“. Die Richter teilten diese Einschätzung nicht.

Wie zuvor das Arbeitsgericht entschied nun auch das LAG, dass der Mann seine Ansprüche durch die Freistellung im Juni bereits aufgebraucht habe. Dies gelte selbst dann, wenn dabei „die Höchstdauer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG nicht ausgeschöpft“ wurde.

Zur Begründung verwiesen die Richter u.a. auf den Gesetzeszweck: § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 PflegeZG regele, so heißt es in dem Urteil, „ausdrücklich nur die Verlängerung der Pflegezeit, nicht [aber] die Aufteilung auf mehrere Zeitabschnitte, zwischen denen eine Unterbrechung liegt“.

Zudem deute der Wortlaut der Vorschrift „auf einen einheitlichen Zeitraum hin“. Sprachlich drücke der Gesetzgeber dies aus, indem im Rahmen der Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers davon die Rede sei (§ 3 Abs. 3 PflegeZG), der Beschäftigte müsse angeben, „für welchen Zeitraum“ eine Freistellung von der Arbeitsleistung begehrt werde. Wäre auch ein Pflegezeit-Splitting auf mehrere Phasen gewollt gewesen, so hätte der fragliche Absatz nach Ansicht des Gerichts vielmehr im Plural („für welche Zeiträume“) formuliert werden müssen. Gegen die Entscheidung wurde Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 31.03.2010 (Az.: 20 Sa 87/09).

Vorinstanz: Urteil des Arbeitsgerichtes Stuttgart (Kammer Ludwigsburg) vom 24.09.2009 (Az.: 12 Ca 1792/09).

Fazit der Redaktion:

Dass betroffene Mitarbeiter in einer schwierigen Situation je nach Gesundheitszustand ihres Angehörigen ein Maximum an Flexibilität bei der Inanspruchnahme der Pflegezeit gebrauchen können, ist überaus verständlich. Unternehmen wünschen sich demgegenüber Planungssicherheit.

In diesem Spannungsfeld der Interessen hat das Gericht im Streitfall neben dem eigentlichen Zweck des Gesetzes zur Begründung abschließend auch einen Punkt heran gezogen, der mit der eigentlichen Streitgegenstand (Freistellung für Pflege) nur indirekt zu tun hat, nämlich den Kündigungsschutz. Wenn Pflegezeit in Etappen zulässig wäre, so das LAG, „hätte es der Arbeitnehmer je nach Platzierung der Ankündigungen und Verteilungen der Pflegezeit in der Hand“, sich einen „über viele Jahre hinziehenden besonderen Kündigungsschutz nach § 5 PflegeZG zu verschaffen“. Man darf gespannt sein, ob und wie sich das Bundesarbeitsgericht zu dieser Frage äußern wird.

Die Halbwertszeit des Urteils könnte überdies durch die jüngsten Ankündigungen von Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (CDU) verringert werden. Demnach werde momentan an einem Gesetzentwurf für eine Pflegezeitnovelle gearbeitet. Vorgesehen sei u.a. eine sog. Familienpflegezeit. Oppositionspolitiker, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände hatten das Vorhaben aus unterschiedlichen Gründen kritisiert.

Angemeldete User und Kunden finden weitere Informationen zum Thema in den Beiträgen  „Pflegezeit – Allgemeines ff.“.

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