„Unser Wirtschaftssystem begünstigt, dass der Druck auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen wächst“, sagt Prof. Dr. Sascha Alavi. Das sei besonders in den Bereichen der Fall, in denen Leistung messbar ist und Anreizsysteme vorhanden sind. Die Forscher untersuchten ein mittelständisches Unternehmen in Deutschland. Dessen Vergütungsmodell wurde von 80 Prozent variabler hin zu 80 Prozent fester Vergütung umgestellt. Über einen Zeitraum von einem Jahr werteten sie Daten von mehr als 800 Beschäftigten aus – und kamen zu dem Schluss, dass stärkere Leistungsanreize mit mehr Krankheitstagen einhergehen.
Auf den ersten Blick ist das schwer zu erkennen, denn zunächst einmal wirkt es sich positiv aus, wenn der Anteil der variablen Vergütung am Gesamtgehalt steigt. Gleichzeitig nehme allerdings auch das Stresslevel zu. „Das wiederum resultiert in vermehrten Krankmeldungen und verminderter Leistungsfähigkeit“, erläutert Wirtschaftswissenschaftler Alavi den J-förmigen Verlauf der Kurve.
Der Effekt wurde in weiteren Studien bestätigt und genauer spezifiziert. Liegt der variable Anteil zwischen einem und zehn Prozent, hat das keine Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Ein Anteil zwischen 20 und 30 Prozent könne sogar einen leistungssteigernden Effekt haben. „Ab einem Anteil der variablen Vergütung von etwa 30 Prozent an der Gesamtvergütung jedoch gaben die Befragten vermehrt an, unter Erschöpfungssymptomen zu leiden, sich am Ende eines Arbeitstages oder der Arbeitswoche ausgelaugt, ausgebrannt, frustriert oder müde zu fühlen.“
Das Forscherteam empfiehlt Vorgesetzten, dafür zu sorgen, dass Lohnanreizsysteme keine Unsicherheit und keinen Stress erzeugen. Ratsam sei es, variable Vergütungsmodelle individuell an Mitarbeitergruppen anzupassen und auf Strategien zu setzen, die negativen Folgen entgegenwirken und sie abfedern können. Als Beispiele werden Maßnahmen zum Team-Building oder zur Stressprävention genannt.