Steht ein Arbeitnehmer im Verdacht rechtswidrige Handlungen oder gar Straftaten begangen zu haben, kann das – abgesehen von etwaigen finanziellen Schäden – das Betriebsklima und Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber schwer belasten. Da es in derartigen Fällen allerdings nicht immer hieb- und stichfeste Beweise oder gar Zeugen für eine Tat gibt, kennt die Rechtsprechung unter bestimmten, eng begrenzten Vorgaben die sog. Verdachtskündigung. Diese muss sich z.B. auf Tatsachen beziehen und darf nicht allein mit subjektiven Vermutungen begründet werden. Erwägt ein Arbeitgeber eine derartige Verdachtskündigung und befragt einen Beschäftigten deshalb zu einem Vorgang, muss er in diesem Gespräch den Verdacht und eine etwaige Kündigungsabsicht auch ansprechen. Das ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (6 Sa 1121/09).
Im Streitfall war einem Filialleiter, der seit gut 21 Jahren im entsprechenden Unternehmen beschäftigt gewesen war, zunächst fristlos und dann ordentlich gekündigt worden. Der Vorwurf: Der Mann soll widerrechtlich einen in der Kassenzone gefundenen 5-Euro-Schein an sich genommen haben. Dagegen legte der 52-Jährige zunächst erfolgreich Kündigungsschutzklage ein: Laut Arbeitsgericht Berlin wurde das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungsschreiben nicht aufgelöst, da die jeweilige Verdachtskündigungen wegen mangelnder Anhörung des Mitarbeiters unwirksam gewesen seien. Das LAG schloss sich dieser Rechtsauffassung weitgehend an.
Zur Begründung führten die Richter an, die als Voraussetzung für eine wirksame Verdachtskündigung notwendige Anhörung sei im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Zwar habe der Arbeitnehmer den Mitarbeiter „zu den ihm bekannt gewordenen Verdachtsmomenten befragt“. Er habe jedoch versäumt, deutlich zu machen, „dass er deshalb einen entsprechenden Verdacht gegen den Arbeitnehmer hegt und darauf ggf. eine Kündigung zu stützen beabsichtigt“. Insofern sei auch versäumt worden, dem Arbeitnehmer rechtzeitig „die Bedeutung der von ihm erwarteten Stellungnahme deutlich zu machen“.
Doch auch was die widerrechtliche Aneignung des Geldscheins selbst angeht, konnte die Kammer „keinen dringenden Verdacht“ erkennen. Schließlich habe der spätere Kläger, wie es in der Darstellung des Arbeitgebers gegenüber dem gemäß § 102 BetrVG angehörten Betriebsrat heißt, gegenüber seiner Stellvertreterin offen angegeben, er trage die Banknote „am Mann“, sprich: in seinem Portemonnaie. Zudem soll er das Geld unmittelbar nach Schichtende „seiner Geldbörse entnommen und seine Stellvertreterin aufgefordert haben, diesen Betrag jetzt in ihre Kasse als Fundgeld einzugeben“.
Die Aussagen des Mannes selbst seien nahezu deckungsgleich gewesen: Demnach habe er den Schein nach Fund zunächst in seine Kitteltasche gesteckt, „um ihn in die Kasse seiner Stellvertreterin einzuzahlen, die jedoch mit anderen Arbeiten befasst gewesen sei“. Aus Furcht vor einer Revision und möglichen Schwierigkeiten bei offen in der Arbeitskleidung getragenem Geld habe er dann Fünfer dann bis Schichtende in seiner Geldbörse getragen.
Der Ansicht des Arbeitgebers, der Mann habe das Geld versteckt und erst auf Nachfragen hin offengelegt, vermochten die Richter insofern nicht zu folgen. Wahrscheinlicher sei, dass es zwischen Filialleiter und seiner Stellvertreterin „aufgrund der sprachlichen Verständigungsprobleme, die auch bei der Anhörung des Klägers im Verhandlungstermin zutage getreten sind, zu einem Missverständnis gekommen ist“.
Dass der 52-Jährige durch das zwischenzeitliche Einstecken des Scheins eine objektive Pflichtwidrigkeit beim Umgang mit dem Fundgeld an den Tag gelegt habe, begründe jedoch „keine hohe Wahrscheinlichkeit als Voraussetzung für einen dringenden Verdacht“, er habe stehlen wollen. Denn der Mann habe keinerlei „Heimlichkeit an den Tag gelegt“ und das Verstauen des Scheines „unumwunden eingeräumt“.
Alles in allem sei damit die Voraussetzungen für eine wirksame Verdachtskündigung nicht gegeben.
Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 06.11.2009 (Az.: 6 Sa 1121/09).
Vorinstanz: Urteil des ArbG Berlin vom 24. April 2009 (Az.: 28 Ca 3702/09).